17. Oktober 2014

Muss ich sterben?

"Was machst du jetzt eigentlich?"

Diese Frage wurde mir vor ein paar Tagen gestellt und hat mich kurzzeitig ins stocken gebracht. 

"Ich bin noch immer arbeitsunfähig geschrieben und beginne gerade eine ambulante Therapie."

Tage danach habe ich viel über meine Situation nachgedacht. 
Ich bin immer wieder bei einer Frage gelandet: 

"Warum dauert es dieses Mal so lange? Was ist denn dieses Mal anders, dass es sich so unendlich anfühlt und ich noch immer so erschöpft und schwach bin?"

Und dann hatte ich ein Telefonat mit einem lieben Menschen, der mir vieles noch einmal aus einem anderen Blickwinkel gezeigt hat. 

"Hör doch auf dir diese Fragen zu stellen. 
Es ist so und muss doch auch gar nicht anders sein. Nimm es so an. 
Und hast du denn vergessen was dir Anfang des Jahres passiert ist?"

Nein,dass habe ich nicht....

Ich bin in eine neue Stadt gezogen, neue Umgebung, neue Menschen und ein neuer Beruf.
Dann entscheide ich mich dafür wieder als Heilpädagogin zu arbeiten, teile diese Entscheidung meinem Chef mit und möchte gerade beginnen Bewerbungen zu schreiben...

Dann...Knoten auf beiden Seiten im Hals und sie sind gewachsen.
Verdacht auf Lymphdrüsenkrebs!
Ich werde operiert und habe zwei Wochen die Ungewissheit...Habe ich Krebs?
Nachdem  Krebs ausgeschlossen wurde trotzdem kein Aufatmen.
Was ist es dann?
Besuch bei der Ärztin..."Ich habe gute Nachrichten Frau Lüth, Sie haben keinen Krebs, aber es könnte aufgrund der Symptome auch HIV sein. Wir nehmen jetzt Blut ab und dann können wir Ihnen nach unserem Urlaub die Ergebnisse mitteilen."

Ahhhhhh....Was???
Ok, also nach Hause und abwarten was das Blutergebnis ergibt. 
Ja ne is klar, gerade habe ich noch Lymphdrüsenkrebs gegoogelt und musste meinem Kopf sagen das er jetzt bitte nicht vollkommen durchdreht und dann HIV Verdacht.
Aber wir gehen jetzt erst mal in den Urlaub?
Kein Problem, diese Woche kann ich dann doch hervorragend dafür nutzen um mir Gedanken darüber zu machen was ich mache wenn ich HIV haben sollte. 

(Wenn ich das so schreibe und mir noch einmal vor Augen halte, ist das fast nicht greifbar für mich. Hat doch schon wieder etwas von Comedy.)

Nun gut, neue Woche, neues Glück oder wie sagt man? 
Ich sitze bei meiner Ärztin und Sie sagt: 
"Frau Lüth, Sie haben kein HIV. Das Ergebnis war negativ."
Puh....aufatmen. 
Ich muss also nicht sterben?!

Ok, was ist oder war es dann? Was können wir jetzt machen? Gibt es noch andere Ideen? Weitere Untersuchungen? Blut abnehmen? Testen? 

"Nein, eigentlich sind wir dann durch hier. Ich sehe keine Veranlassung weiter zu testen."

Ich habe dann erst einmal reichlich verwirrt die Praxis verlassen.
Ich bin die letzten Wochen davon ausgegangen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu sterben. 
Entweder durch Krebs oder HIV. 
Ich habe kurzzeitig darüber nachgedacht meine Beziehung zu beenden, meine Freunde zu verlassen und ohne sie zu sterben um niemandem zuzumuten mit mir zu leiden. 

Und nun wollen Sie mir tatsächlich sagen, nachdem ich nun diese beiden Narben am Hals trage, die mich tagtäglich an diese Zeit erinnern, dass Sie keine Veranlassung darin sehen weiter zu forschen, was ich denn nun eigentlich habe?

(Ich habe mich bis heute nicht getraut meiner Ärztin das zu sagen)

Der Chirurg, der mich operiert hat hatte zwischen dem Verdacht auf Krebs und HIV den Verdacht auf Pfeiffersches Drüsenfieber geäußert. 
"Lassen Sie sich darauf einmal testen Frau Lüth. Ich bin mir fast sicher."

Meine Ärztin fand diesen Verdacht fast lächerlich und sah darin keinen Grund, ich würde keine typischen Anzeichen aufweisen.

Gut, dann doch mal lieber den Verdacht auf HIV raus hauen und in den Urlaub gehen! 
Und dann am Ende einfach nach Hause gehen lassen, ohne Ergebnis. 

Soziale Kompetenz gleich null...6, setzen!

Tja, und dann ging nichts mehr. 
Ich bin in die Depression abgerutscht. 
Es war ein leichtes Spiel für Sie. 
Tage und Wochen vergingen in denen ich nur noch da lag. 

Bevor ich für einige Zeit zu meiner Mutter gegangen bin, weil ich am Ende war und nur noch Kraft zum atmen hatte habe ich mir mit letzter Entschlossenheit nach Wochen im Bett Blut abnehmen lassen und darauf bestanden mich auf dieses Drüsenfieber testen zu lassen. 

Der Blick von meiner Ärztin sprach Bände.

Nach einigen Tagen kam der Anruf.
"Frau Lüth, ich kann es mir gar nicht erklären, Sie hatten ja nicht die typischen Anzeichen, aber Sie haben Pfeiffersches Drüsenfieber."







3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Grrrrrr!

Anonym hat gesagt…

Das ist ja wirklich unglaublich!!! Was sich die mit der " Macht" denken..einfach mal totale verwirrung, verzweiflung, Angst und schrecken stiften und dem Patienten sich selbst überlassen...unvorstellbar! Aber mal ganz unabhängig von deiner Situation, finde ich deinen schreibstyle toll!!

Hanna hat gesagt…

Ich danke dir für dein Kommentar!
Das tut sehr gut.
Und vielen Dank für das Kompliment